Das Schlichtungsverfahren muss rasch erledigt werden, weshalb der in ZPO 145 normierte Fristenstillstand dabei ausdrücklich nicht gilt. Die Frage ist jedoch, ob der Stillstand auf die Einreichungsfrist der Klage nach erfolglosem Schlichtungsversuch i.S.v. ZPO 209 Anwendung findet.
Das Bundesgericht bejahte die Geltung des Fristenstillstandes bei der Klagefrist nach ZPO 209 im heute aufgenommenen Urteil 4A_391/2012 vom 20. September 2012 (Leitentscheid).
Die Theorie
Scheitert ein Schlichtungsversuch i.S.v. ZPO 197 ff., so wird die Klagebewilligung den Parteien nach ZPO 209 erteilt. Nach deren Eröffnung beträgt die Klagefrist drei Monate, bei Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen 30 Tage (ZPO 209 III und IV).
Gesetzliche und gerichtliche Fristen stehen während den Gerichtsferien gemäss ZPO 145 I still (15. Juli bis 15. August, 18. Dezember bis 2. Januar, sieben Tage vor und nach Ostern). Ausdrücklich davon ausgenommen sind die Fristen des Schlichtungs- und summarischen Verfahrens (ZPO 145 II lit. a und lit. b). Ob der Begriff des Schlichtungsverfahrens auch die anschliessende Klageeinreichung i.S.v. ZPO 209 umfasst ist Gegenstand des folgenden Urteils.
Der Entscheid
Die Beschwerdeführerin reichte ihre Klage beim zuständigen Mietgericht am 16. Januar 2012 ein. Die Klagefrist i.S.v. ZPO 209 IV hatte am 2. Dezember 2011 zu laufen begonnen. Nur wenn der Stillstand zwischen dem 18. Dezember und 2. Januar gegolten hätte, wäre die Klage fristgerecht eingereicht worden (und zwar am Tag des Fristablaufs).
Die herrschende Lehre ist darüber einig, dass die obenerwähnte Klagefrist nicht unter der Ausnahme des Fristenstillstandes nach ZPO 145 II lit. a erfasst sei: diese Ausnahme gelte nur für das Schlichtungsverfahren im engeren Sinn (ZPO 202-207), somit nicht für die Einreichung einer Klage bei gescheitertem Schlichtungsversuch.
Andere Auffassungen bringen die systematische Einordnung von ZPO 209 vor, sowie den Willen des Gesetzgebers, Verfahrensverzögerung möglichst zu vermeiden. Ferner sei ZPO 145 II lit. a ansonsten praktisch gegenstandlos, da die Bestimmungen von ZPO 202-207 nur Ordnungsfristen enthalten (nämlich ZPO 203 I und IV - somit Fristen, deren Säumnis für das Verfahren folgenlos ist).
Das Bundesgericht folgte der herrschenden Ansicht. Die gegenteiligen Lehrmeinungen lehnte es mit folgender Begründung ab:
Zuerst gehöre ZPO 209 zwar zum Titel „Schlichtungsversuch“, jedoch sei die Bestimmung klar im Kapitel „Einigung und Klagebewilligung“ eingeordnet, welches die Folge des Verfahrens bei erfolgreicher oder gescheiterter Schlichtung regelt. Hingegen entspricht die Kapitelüberschrift Schlichtungsverfahren zu ZPO 202-207 genau dem Wortlaut von ZPO 145 II lit. a in allen drei Amtssprachen. Es liesse sich also aus einer systematischen Auslegung gar nicht entnehmen, dass die Ausnahmen des Fristenstillstandes auf andere Bestimmungen als die des Schlichtungsverfahrens im engeren Sinn Anwendung finden sollten. Die herrschende Lehrmeinung sei noch durch in den Materialen geäusserten Ansichten bestätigt.
Zweitens müsse den Beschleunigungswillen des Gesetzgebers dadurch relativiert werden, dass Fristenstillstände eine Verlängerung höchstens eines Monats nach sich ziehen, was unter Abwägung der Interessen des Klägers gegen diejenigen des Beklagten bei der Einreichung nach ZPO 209 weder zweckwidrig noch für den Beklagten unzumutbar sei. Zudem wäre das Verfahren aufgrund der Gerichtsferien auch nach Einbringung einer Klage während dem Fristenstillstand verzögert.
Schliesslich enthalten ZPO 202-207 zwar keine gesetzlichen Fristen, dennoch seien allfällige durch die Schlichtungsbehörde angesetzte Fristen wohl noch erfasst (beispielsweise bei Schriftenwechsel nach ZPO 202 IV). Das Vorbringen der Gegenstandslosigkeit von ZPO 145 II lit. a bei Beschränkung des Schlichtungsverfahrensbegriffs auf ZPO 202-207 erübrige sich schon allein deswegen.
Aus diesen Gründen hielt das Bundesgericht die Klagefrist für eingehalten und hiess die Beschwerde gut.
Während also im früheren Prozessrecht die 30-Tage Klagefrist bei mietrechtlichen Streitigkeiten (aOR 274f I) durch kantonalen Stillstandsvorschriften nicht gehemmt werden durfte (BGE 123 III 67, E. 2), erachtet heute die Rechtsprechung zur ZPO eine Unterbrechung solcher Klagefristen durch die nun im Bundesrecht festgesetzten Friststillstände als zulässig.
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