Nach der neuen StPO erhält ein Beschuldigter in folgenden
Fällen einen amtlichen Verteidiger: In Fällen in denen die notwendige
Verteidigung vorliegt, der Beschuldigte keine Wahlverteidigung bestellt, der
Wahlverteidigung das Mandat entzogen wurde oder sie es niedergelegt hat und die
beschuldigte Person nicht innert Frist eine neue Wahlverteidigung bestimmt oder
die beschuldigte Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die
Verteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist (Art. 132 Abs. 1 StPO).
Nach welchen Kriterien die amtlichen Verteidiger den
Beschuldigten zugeteilt werden, ist den Kantonen überlassen. In Zürich hat die
Oberstaatsanwaltschaft ein "Büro für amtliche Mandate" eingerichtet.
Dort werden die Mandate der alphabetischen Reihenfolge nach verteilt. Kompliziertere
Fälle werden an erfahrenere Strafverteidiger vergeben. Bei diesem Prozedere
besteht jedoch die Gefahr, dass ungeeignete Anwälte den Mandanten zugeteilt
werden und ein Verfahren wiederholt werden muss.
Einen anderen Weg geht der Kanton Luzern. Dort wählt der
Regierungsrat aus der Liste der zugelassenen Anwälten mehrere amtliche
Verteidiger (§7a Anwaltsgesetz Luzern).
Der Sachverhalt:
Im vorliegenden Fall, stellte sich die Ausgangslage so dar,
dass von allen Parteien, ausser der SVP, amtliche Verteidiger gewählt wurden.
Um dieses Ungleichgewicht zu beheben gelangte das Justiz- und Sicherheitsdepartement an die
Parteileitung der SVP Luzern, um ihr mitzuteilen, dass ihr gemäss
Parteiproporz die Wahl von zwei amtlichen Verteidigern zustehe. Der
Regierungsrat beabsichtigte deshalb eine Ergänzungswahl durchzuführen, um zwei
amtliche Verteidiger zu wählen.
Der Beschwerdeführer, ein parteiloser Anwalt aus Luzern,
stellte sich ebenfalls zur Wahl. Mit Schreiben
vom 28. März 2011 teilte der Regierungsrat dem Beschwerdeführer mit, dass ein
anderer Kandidat aufgrund seiner Erfahrung im Strafrecht gewählt wurde.
Diese Wahl hat der Beschwerdeführer vor dem kantonalen
Verwaltungsgericht angefochten, da eine Wahl, die nur Mitgliedern einer
politischen Partei offen steht, nicht zulässig sei. Das kantonale
Verwaltungsgericht wies die Beschwerde ab.
Der Entscheid:
Der Beschwerdeführer zog das Verfahren an das Bundesgericht
weiter. Das Bundesgericht prüfte im Entscheid 1C_131/2012 in einem ersten Schritt, ob die luzernische Wahlpraxis
gegen Bundesrecht verstösst und in einem zweiten Schritt, ob die Nichtwahl des
Beschwerdeführers zulässig ist.
Der Beschwerdeführer rügte, dass die Wahl aufgrund der
Parteizugehörigkeit eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes darstellt (Art.8 Abs. 2 BV). Da sich die Wahl in erster Linie an Kandidaten der SVP richtete, handelte
sich bei der Parteizugehörigkeit gemäss Bundesgericht um ein Wahlkriterium.
Dazu hielt das Bundesgericht fest: „ … Hingegen ist das Kriterium der
Parteizugehörigkeit hinsichtlich der Wahl amtlicher Verteidiger sachfremd. Es
ist insbesondere nicht einzusehen, weshalb sich in der Gruppe der vom
Regierungsrat gewählten amtlichen Verteidigern gewissermassen die
gesellschaftlichen bzw. gesellschaftspolitischen Kräfte widerspiegeln müssen,
ganz abgesehen davon, dass die amtlichen Verteidiger ohnehin nicht als Gruppe
agieren, sondern im jeweils konkreten Fall als Einzelpersonen tätig werden. Im
Unterschied zu Richtern haben amtliche Verteidiger nicht die Aufgabe und die
Kompetenz, staatliche Entscheide zu fällen. Entscheidend ist, ob ein Anwalt
Gewähr dafür bietet, den an das Mandat der amtlichen Verteidigung gestellten
Erwartungen gerecht zu werden. Dies hat mit seiner partei- beziehungsweise
gesellschaftspolitischen Ausrichtung nichts zu tun. Infolgedessen stellt die
Abbildung des Parteiproporzes kein öffentliches Interesse dar, das vorliegend
eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Die Benachteiligung
parteiungebundener Anwälte ist diskriminierend und verletzt Art. 8 Abs. 2 BV.“
(E 3.3.5)
Zu der Nichtwahl des Beschwerdeführers äusserte sich das
Bundesgericht zu der Beschränkung der Anzahl der amtlichen Verteidiger folgendermassen:
„… Zwar schafft bereits die Einführung eines numerus clausus zwei Kategorien
von Anwälten, nämlich solchen, welche gewählt sind und solchen, welche dies
nicht sind. Um mit dem Rechtsgleichheitsgebot vereinbar zu sein, reicht es
indessen aus, dass für diese Unterscheidung ein sachlicher Grund besteht. Der
Regierungsrat führte diesbezüglich in der Botschaft aus, die amtliche
Verteidigung betreffe die grösseren Kriminalfälle und es sei im Interesse des
Staats und des Verfahrens, die Verteidigung Anwälten mit einschlägiger
Erfahrung anzuvertrauen. …“ (E 3.4.3)
Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen. Zwar wurde die
Wahl der amtlichen Verteidiger nicht widerholt und dem Beschwerdeführer wurde
auch kein Anspruch darauf gewählt zu werden zugestanden, jedoch hielt das
Bundesgericht fest, dass die Wahlpraxis im Kanton Luzern gegen Bundesrecht
verstösst. In Zukunft darf die Parteizugehörigkeit, bei der Wahl der amtlichen
Verteidiger kein Kriterium mehr darstellen.
Haha, das finde ich gut: In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht gerade diese Woche entschieden, dass die Wahl des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform ist: Ich entscheide selbst, ob ich fair gewählt bin!
AntwortenLöschenUnd das Urteil ist deswegen gut, weil doch bei der Zusammensetzung des Bundesgerichts ebenfalls Parteiproportionen berücksichtigt werden. Genial!
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