31.05.2012

Wie sicher muss ein Skigebiet sein? 6B_518/2011


Sicht vom Rothorngebiet aufs Matterhorn
Der Sachverhalt: 

Am 19. Januar 2008 gingen um ca. 14:30 Uhr im Skigebiet „Rothorn paradise“ in Zermatt spontan zwei Lawinen nieder. Eine der Lawinen verschüttete eine geöffnete Piste. Dabei wurde eine Person unter den Schneemassen begraben. Die Person wurde noch lebend geborgen und ins Spital geflogen. Jedoch überlebte das Opfer nicht. Ein Sicherheitskonzept gab es für diese Pisten nicht.

Der damalige Pisten- und Rettungsschef der Bergbahnen Zermatt wurde daraufhin wegen fahrlässiger Tötung und der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs angeklagt. Das Bezirksgericht Visp hat ihn von den Vorwürfen freigesprochen. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Berufung beim Kantonsgericht Wallis ein. Das Kantonsgericht hiess die Berufung gut, und verurteilte den Beklagten zu 120 Stunden gemeinnützige Arbeit, wobei es die Strafe mit einer Probezeit von zwei Jahren bedingt ausgesprochen hat. Das Bundesgericht hat sich nun mit der Beschwerde des Beklagten ausseinandergesetzt (Urteil des Bundesgerichts 6B_518/2011).

Der Entscheid:

Das Bundesgericht stellte sich die Frage, ob die unterlassene Sperrung der Piste eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt. Es hält fest: "... Gemäss Art. 117 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Fahrlässig im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. Die Straftat kann auch durch pflichtwidriges Unterlassen begangen werden (vgl. Art. 11 StGB). Voraussetzung ist in diesem Fall eine Rechtspflicht zur Vornahme der unterlassenen Handlung und die Möglichkeit, diese Handlung vorzunehmen..." (Urteil des Bundesgerichts 6B_518/2011 E 4.3)

Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat.
Dabei hat die Vorinstanz festgehalten, dass es zu den Aufgaben des Beklagten gehörte ein Sicherheitskonzept für die Piste zu erstellen. Dies gehe auch aus einem Bundesgerichtsentscheid von 1994 gegen den Beklagten hervor (BGE 125 IV 9). Ein Sicherheitskonzept hätte den Unfall wahrscheinlich verhindern können. Darum handle es sich um eine Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten. Ebenso habe der Beklagte bis zum Nachmittag gewartet, bis er die Piste geprüft hätte. Dies hätte er aufgrund der erheblichen Lawinengefahr bereits vor der Mittagszeit machen müssen.

"... Bei Lawinenunfällen steht die Frage nach der Voraussehbarkeit der Lawinengefahr respektive nach der Wahrscheinlichkeit eines Lawinenniedergangs im Vordergrund. Diese Frage muss aus der Sicht des Verantwortlichen für die Lawinensicherheit im Zeitpunkt vor dem Unfall beantwortet werden..." (Urteil des Bundesgerichts 6B_518/2011 E 4.4.1)

Das Bundesgericht ist der Ansicht, dass gemäss dem Lawinenbulletin spontane Lawinenabgänge in dem Gebiet vorhersehbar waren. Ebenso hätte der Pistenchef die gefährliche Situation erkannt, wenn er bereits am Morgen die Situation analysiert hätte.

Der Beklagte macht geltend, dass es sich dabei um ein erlaubtes Restrisiko handle. Das Bundesgericht widerspricht dieser Ansicht, da es sich bei den Bergbahnen um ein gewinnorientiertes Unternehmen handle, an das erhöhte Anforderungen an die Sicherheit gestellt werden müsse.
Das Bundesgericht hat aus diesen Gründen die Beschwerde abgewiesen.

Wintersportler in Zermatt
Fazit:

Das Bundesgericht hält in seinem Entscheid fest, dass die Sicherheitsanforderungen an die Pistensicherheit in Hochalpinen Skigebieten sehr hoch sind. Da der Wintersport sich zu einem Massentourismus entwickelt hat, bei dem die Wintergäste kaum in der Lage sind die Situation einzuschätzen, ist dieser hohe Standard an die Sicherheitsvorkehrungen zu begrüssen.
Ein Restrisiko bleibt aber bei Sportaktivitäten in hochalpinen Gebieten in jedem Fall bestehen. Darum ist an die Eigenverantwortung von jedem Wintergast zu appelieren.

5 Kommentare:

  1. Bei ca. 350 Pistenkilometern resp. einigen Dutzend stärker gefährdeten Kilometern finde ich die Anforderungen des Bundesgerichts an die Wintersportbetreiber schon sehr hoch. Ich kann mir vorliegend bloss vorstellen, dass die Gefährdung am betroffenen Hang beim Routineflug gut erkennbar gewesen wäre.

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  2. Das BG hält dahin fest, dass die Lawinengefahr schon länger auf erheblich war. Im Lawinenbulletin stand, dass es bei instabilen Schneedecken aufgrund der starken Erwärmung im Verlauf des Tages spontane Lawinenabgängen wahrscheinlich sind. Der Pistenchef hat dies auch erkannt und wollte um 14:00 Uhr die Piste inspizieren. Dies war jedoch gemäss BG zu spät.

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